Pinscher und Schnauzer, Molossoide, Schweizer Sennenhunde und andere Rassen
Pfoten auf Asphalt - Folge 2: Pinscher und Schnauzer, Molossoide, Schweizer Sennenhunde und andere Rassen
In der zweiten Folge von Pfoten auf Asphalt dreht sich alles um Pinscher, Schnauzer, Molossoide, Schweizer Sennenhunde und andere Rassen (FCI Gruppe 2). Gemeinsam mit Brigitte, Hundetrainerin und Gründerin der Hundeschule “Naturpfote”, sprechen wir darüber, wie Hunde aus dieser Gruppe das Stadtleben meistern können und welche Herausforderungen und Besonderheiten sie mitbringen.
Highlights der Folge:
Herdenschutzhunde und ihre Besonderheiten: Herdenschutzhunde sind beeindruckend durch ihre Eigenständigkeit, Intelligenz und ihre Fähigkeit, blitzschnell zu reagieren. Diese Hunde wurden ursprünglich gezüchtet, um Herden vor Raubtieren zu schützen. Sie agieren eigenständig und treffen selbst Entscheidungen, was sie zu faszinierenden, aber anspruchsvollen Begleitern macht. Ihr territoriales Verhalten und ihre Schutzinstinkte können in städtischen Umgebungen problematisch sein.
FCI-Gruppe 2: Diese Gruppe umfasst Schnauzer, Pinscher, Molosser, Berghunde und Schweizer Sennenhunde. Viele Hunde dieser Gruppe haben historische Aufgaben wie Schutz, Treiben von Vieh oder das Ziehen von Lasten.
Herausforderungen bei Herdenschutzhunden: Sie benötigen viel Geduld und Zeit in der Erziehung, da sie spät erwachsen werden (ca. mit 4 Jahren). Training sollte auf positive Erfahrungen und individuelle Bedürfnisse abgestimmt sein, da sie Wiederholungen oft ablehnen.
Praktische Tipps:
Erziehung und Training: Frühzeitiger Kontakt mit Menschen und Hunden, um Skepsis vorzubeugen sollte stattfinden. Ihr eigenständiger Charakter erfordert klare, aber freundliche Strukturen. Am besten einen erfahrenen Trainer für Herdenschutzhunde hinzuziehen.
Beschäftigungsmöglichkeiten: Mantrailing, Lange Spaziergänge in reizarmen Gegenden sind besonders wichtig, um ihren natürlichen Bewegungsdrang zu befriedigen. Mentale Auslastung durch Aufgaben wie Treibball oder Suchspiele können sinnvoll sein.
Haltung in der Stadt: Territorialverhalten muss unbedingt mit bedacht werden und der Garten sollte gut gesichert sein. Spontane Besuche sollten vermieden werden.
“Geht respektvoll miteinander um, egal ob Mensch oder Hund.”
Alle Infos zu Brigitte, ihrer Arbeit und der vollständigen FCI-Rassenliste findet ihr in den Shownotes.
Hört rein und erfahrt, wie ihr das Leben für euch und euren Herdenschutzhund in der Stadt entspannter gestalten könnt! Neue Folgen gibt es alle 14 Tage.
Shownotes:
Quellen und Links:
Pfoten auf Asphalt Spotifyplaylist
Bei Fragen schickt uns ein Mail an pfotenaufasphalt@grossstadthund.com
Transkript:
ERICH:
Hallo und herzlich willkommen bei Pfoten auf Asphalt, dem Podcast für Stadtmenschen und Stadthunde. Heute spreche ich mit einer Hundetrainerkollegin über die FCI Gruppe 2 und wir werden uns auf die Herdenschutzhunde konzentrieren, da sie da einfach einiges an Erfahrung mitbringt. Wer bin ich? Erich von Großstadthund und Host. Und Brigitte stellt sich am besten gleich selbst vor. Hallo Brigitte, schön, dass du mit mir sprichst. Möchtest du dich kurz vorstellen?
BRIGITTE:
Ja, hallo, ich bin die Brigitte. Mein kleines, feines Unternehmen nennt sich Naturpfote. Ich bin Hundetrainerin und Hundeverhaltensberaterin. Ich habe einen Schwerpunkt zum Thema Herdenschutzhunde. Besonders in der Verhaltensberatung habe ich immer einige Herdenschutzhunde. Und ja, bin auch leidenschaftliche Mantrailerin. Habe auch eine eigene Mantrail -Gruppe und zwar als Enrichment. Also nicht so, wie es in einer Staffel abläuft, sondern wirklich bedürfnisorientiert als Auslastung und Beschäftigung. Genau, das wäre so meine kurze Vorstellung. Und für alle, die noch wissen wollen, von wo ich herkomme, ich bin in Linzland zu Hause. Genauer gesagt aus Neuhofen an der Krems, im schönen Oberösterreich.
ERICH:
Ich wollte heute gerne mit dir reden, weil du ein großes Herz für Herdenschutzhunde hast und hier auch sehr viel Wissen. Aber wie kommt es dazu, warum Herdenschutzhunde? Was macht sie so besonders für dich?
BRIGITTE:
Also, die Herdenschutzhunde haben für mich ein sehr faszinierendes Wesen. Ich beobachte sie unheimlich gerne und es ist irgendwie auch das Eigenständige, das mich fasziniert, was es nicht immer leicht macht, besonders im Training. Aber es ist jetzt nicht nur die Größe und die imposante Erscheinung. Es ist einfach das Gesamte, das Auftreten. Und sie sind unheimlich klug. Sie wirken sehr träge und faul, was sie aber eigentlich nicht sind. Sie können ja blitzschnell reagieren. Und ja, sie haben einfach schon immer was Faszinierendes an sich gehabt. Und irgendwann wollte ich einfach selbst einen Zuhause haben als Familienmitglied. Ja, und so ist jetzt endlich einer geworden oder eine geworden, eine Hündin. Genau.
ERICH:
Das hört sich jetzt so an, als wäre es dein einziger Hund, aber ist es ja nicht, es sind ja mehrere. Richtig?
BRIGITTE:
Ich habe zu Hause eine Entlebucher Sennenhündin, die wird jetzt demnächst zwölf Jahre alt. Dann habe ich noch einen Swissydog zu Hause. Das ist ein Hybride, eine gezielte Mischung quasi aus Berner Sennenhund und großem Schweizer. Gibt es auch in einer kleineren Variante, wo man zum Beispiel einen Berner Sennen mit Appenzeller verpaart oder eben einen Berner Sennen mit einem Entlebucher. Das ist jetzt nicht so oft der Fall, aber wie gesagt, ich habe die größere Variante. Genau, die zwei habe ich eben doch.
ERICH:
Das sind jetzt Herdenschutzhunde oder eben Hunde aus der FCE -Gruppe 2. Magst du uns vielleicht mal so ein bisschen aufklären, was für Hunde oder was für Rassen gehören denn da noch dazu? Was ist diese FCE -Gruppe 2?
BRIGITTE:
Also alle drei zählen zur FCE -Gruppe 2. Das sind eben Schnauzer, Pinscher, Molosser… Wie gesagt, auch die Herdenschutzhunde zählen ja auch zu den Molossern, beziehungsweise eben Berghunden. Und die Schweizer Sennenhunde sind ja auch in dieser Gruppe, also alle vier. Das heißt der Berner Sennenhund, der Appenzeller Sennenhund, der Entlebucher Sennenhund und der große Schweizer Sennenhund. Wo man dazu sagen muss, der Appenzeller und der Entlebucher sind ja eigentlich Treibhunde. Sind aber nicht in der Gruppe der Hütehunde und Treibhunde vertreten, sondern eben hier in der Gruppe 2.
ERICH:
Das ist ja interessant. Weißt du vielleicht auch, warum das so ist?
BRIGITTE:
Ich bin mir jetzt nicht ganz so sicher, aber ich denke, weil sie irgendwie zu den Berghunden zählen und von den Molossern auch abstammen, deswegen haben sie die in diese Gruppe gegeben. Weil eben andere Treibhunde ja keine Molosser -Abstammung haben. Deswegen sind die eben dann in der Gruppe, ich denke, es war die Gruppe 1.
ERICH:
Das hat also mit der Abstammung zu tun, dass die einen in die FCI -Gruppe 1 und die anderen in die FCI-Gruppe 2 fallen. Magst du uns erzählen, wozu diese Gruppe eigentlich gemacht worden ist? Was tun diese Hunde? Was sind ihre Aufgaben?
BRIGITTE:
Genau. Also wenn wir jetzt mit Herdenschutzhunden beginnen, sie sind natürlich dazu gedacht oder gezüchtet worden, ursprünglich in den Ländern oder sagen wir mal so selektiert worden, dazu, das Vieh zu bewachen. Das heißt also große Schafherden, Ziegenherden mit den Schäfern zu begleiten und dann eben zu bewachen. Besonders halt in der Dämmerung und in der Nacht gegen Beutegreifer. Sei es Wolf, Bär oder auch Greifvögel aus der Luft.
ERICH:
Das bedeutet, die müssen eben groß sein, wehrhaft sein, selbstständig sein?
BRIGITTE:
Genau, das heißt, sie müssen wirklich sehr wache Instinkte haben, sich auch ruhig verhalten in der Herde. Teilweise sind sie auch vom Fell so gezeichnet, dass man sie ja kaum in einer Schafherde sehen kann, besonders die hellen. Oder sie sind so an die Umgebung von der Farbe angepasst, von der Fellfarbe, sei es jetzt so bräunlich -grau, je nachdem aus welchem Land sie stammen. Sei es, sie sind jetzt viel in der Steppe unterwegs oder die einen sind viel wirklich in den Bergen unterwegs.
ERICH:
So richtige Tarnexperten also.
BRIGITTE:
Genau, genau und hat auch ein sehr widerstandsfähiges Fell, sehr robust, also gegen Kälte, Regen, Hitze, Eis, Schnee, also alle sind sehr robust. Und wie gesagt, durch das, dass sie sich sehr ruhig verhalten, sie wollen ja schließlich ja auch nicht auffallen, müssen sie aber gleichzeitig eben ganz, ganz blitzschnell reagieren können, wenn jetzt doch ein Wolf auftauchen würde. Und natürlich müssen sie auch sehr, sehr laut bellen können. Sie haben ja ein sehr kräftiges, tiefes Organ, würde ich mal sagen. Und kein Herdenschutzhund möchte jetzt freiwillig in einen Kampf verwickelt sein. Also Sinn der Sache ist sie eigentlich vorher schon abzuschrecken.
ERICH:
Der Unterschied zu den Treibhunden ist dann welcher oder was ist dann die Aufgabe von Treibhunden?
BRIGITTE:
Genau, also Treibhunde, so wie es zum Beispiel der Entlebucher ist oder der Appenzeller, der ist ja für das gezüchtet worden, dass er Kuhherden treibt, also auch von Weide zu Weide oder vom Stall jetzt weg auf eine andere große Wiesenfläche oder auch von Alm zu Alm und ist jetzt nicht dazu da, dass er da in der Herde bleibt und aufpasst. Der geht dann halt wieder mit dem Bauern mit nach Hause zum Hof. So war es halt früher, besonders in den Schweizer Alpen halt, wo sie abstammen. Also die Berner Sennenhunde und auch die großen Schweizer sind ja hauptsächlich Wach - und Hofhunde und eben auch Zughunde. Das heißt, wurden früher eingesetzt zum Milchwagen ziehen, sind ja groß und kräftig. Da konnte man richtige Wägen hinten dranhängen. Und genau, sowas kann man auch heute noch machen als Freizeitbeschäftigung.
ERICH:
Und vom Charakter her würdest du sagen, dass alle Rassen dieser Gruppe sehr ähnlich sind? Weil beim Herdenschutzhund zum Beispiel stelle ich mir vor, der ist ja dazu gemacht worden, bei der Herde zu bleiben, also sehr eigenständig zu sein. Und dass da die Bindung zum Menschen gar nicht so gewollt ist. Und da stelle ich mir dann vor, dass auch das Training und die Erziehung etwas schwieriger ist, beziehungsweise es mehr Arbeit bedeutet, das Vertrauen eines solchen Hundes zu gewinnen.
BRIGITTE:
Ich glaube, dass das manchmal sehr missverstanden wird, weil natürlich so ein junger Welpe, der natürlich unter diesen Schafherden schon geboren wird, der kennt es ja nicht anders. Natürlich hat der einen Bezug zu seinem Schäfer, sage ich mal so. Aber es ist nicht so, dass der jetzt freiwillig sich das aussuchen würde. Der hat ja trotzdem, so wie jeder andere Hund, ein irrsinnig großes Bedürfnis nach sozialer Nähe. Und deswegen ist es ja eigentlich auch so, dass ein Herdenschutzhund nicht zwingend jetzt eine Herde braucht, um glücklich zu sein.
ERICH:
Okay, du meinst, dass man dem Hund diese Herdenschutzfunktion auch erst beibringen bzw. anerziehen muss, indem der Hund schon von klein auf mit der Herde aufwächst und gar nicht so viel Kontakt zum Menschen hat.
BRIGITTE:
Genau, genau, genau. Es ist natürlich schon so, dass sie sehr eigenständig sind und eben gerne Entscheidungen selbst treffen. Das erleichtert natürlich das Ganze, dass er eben gerne dort auch alleine arbeitet. Genau, und das ist vielleicht auch die Schwierigkeit im Training, dass sie sehr eigenständig sind, dass sie sich gerade in der Pubertät oder im Erwachsenwerden nicht so gerne etwas sagen lassen. Man braucht einfach viel Geduld, viel Einfühlungsvermögen. Ja, einfach wirklich viel Zeit, weil sie natürlich sehr, sehr spät erwachsen werden. Also erst so mit vier Jahren. Was natürlich schon einen großen Unterschied eben in der Erziehung macht. Was bedeutet, dass man das oft mit anderen Hunderassen nicht gleichsetzen kann. Besonders wenn man an Hundeschulen und Welpengruppen, Junghundegruppen denkt. Also das ist meistens alles viel zu lang von der Zeit, also die Aufmerksamkeit ist noch nicht so lange gegeben, die Konzentrationsfähigkeit ist noch nicht so lange gegeben und deswegen ist es vielleicht immer von Vorteil, sich einen Trainer zu suchen, der sich in dem Bereich auch auskennt. Welpengruppen sind auch oft nicht so ideal, weil eben auch ein großer Größenunterschied da ist und dass für die anderen Hunden, die viel, viel kleiner sind, oft ein bisschen schwierig ist, weil sie doch dann sehr, es ist wie ein unbeholfener Elefant im Porzellanladen, gerade beim Erwachsenwerden. Und ja, trotzdem ist wichtig von Anfang an gute Sozialkontakte zu haben, viele verschiedene Hunde kennenzulernen, aber wie gesagt, ausgesuchte Hundekontakte, positive Hundekontakte. Das müssen nicht viele sein. Es reicht, wenn es vielleicht zwei, drei sind. Aber wo es halt wirklich gut und schön abläuft und wo man weiß, wann muss man eingreifen, dass man nicht alles so laufen lässt.
ERICH:
Einen Trainer suchen, der sich auskennt, ist auch ein guter Tipp. Du hast ja schon die Größe erwähnt, der Hunde. Aber ich denke, es ist nicht nur das das Problem, sondern auch für den Trainer dann zum Unterrichten, der sich vielleicht nicht auskennt und nicht weiß, dass diese Hunde einfach anders lernen und sich dreimal überlegen, mache ich jetzt nichts, oder einfach so häufige Wiederholungen nicht gewohnt sind oder das nicht wollen, macht es ja auch schwierig.
BRIGITTE:
Genau, also er überlegt natürlich immer der Herdenschutzhund, macht das jetzt Sinn? Oder jetzt haben wir das schon zwei-, dreimal gemacht, warum soll ich das jetzt noch einmal machen? Ich kann es ja eh schon. Und ja, so viele Wiederholungen ist ganz schlecht, ja.
ERICH:
Fallen dir sonst noch Charaktereigenschaften ein, wo du sagen würdest, die sind auch noch sehr typisch für diese Hunde?
BRIGITTE:
Auf jeden Fall das Territoriale. Das bereitet dann natürlich auch oft Probleme, besonders dann, wenn Besuch kommt. Und wie gesagt, man muss immer schauen, dass wirklich alles gut verschlossen ist. Dass nicht einfach irgendwer so hereinspazieren kann in den Garten.
ERICH:
Weil die auch die Tendenz hätten, dann auch wirklich ranzugehen.
BRIGITTE:
Natürlich. Sie wollten natürlich einen Fremden vertreiben. Das ist ja auch ihre Aufgabe. Und sie werden auch alles schön lauthals melden, wenn sich jemand Fremder nähert. Was nicht heißt, dass sie sich an gewisse Dinge nicht gewöhnen können, das auf jeden Fall. Also sie sind ja trotzdem zu den Personen oder diesen Leuten, die regelmäßig kommen, freundlich. Sie haben halt eine größere Individualdistanz, wollen natürlich nicht von jedem angefasst werden.
ERICH:
Das ist schon etwas, das man sich vorher überlegen kann, ob man sich so einen Hund in die Stadt ins Hochhaus holt, da ja da generell mal mehr Menschen wohnen. Was aber auffällt ist, dass das schon eine Art von Hunden ist, dadurch groß, kuschelig, irgendwie süß, dass man die recht häufig sieht. Aber dieses Territorialsein und mehr Individualabstand brauchen, haben wollen, dann doch für viele Menschen zum Problem wird.
BRIGITTE:
Das ist gerade am Anfang oft das Problem, dass die Hunde sich das ja eben ganz schnell merken. Es brauchen einfach nur ein paar blöde Situationen passieren. wo er vielleicht doch einmal zu heftig gekuschelt wird von irgendeinem Fremden und er merkt sich das, wird dann vielleicht beim nächsten Mal heftiger reagieren oder abwehrender reagieren. Und das ist immer das Problem mit dem großen Kuscheligen, weil sie ja so süß ausschauen und so weich sind. Darf ich mal anfassen?
ERICH:
Und würdest du sagen, aufgrund seiner Eigenständigkeit ist das jetzt schon ein Hund, der Menschen braucht, die selbst eher strukturiert sind, die klar im Kopf sind, um das auch gut an die Hunde weitergeben zu können? Also das ist jetzt kein Hund, der einfach mal so mitläuft oder den man jemanden als Ersthund mitgeben würde.
BRIGITTE
Genau, also das muss man sich wirklich gut überlegen. Also man kann so einen Hund nicht einfach irgendwo abgeben oder sagen, da bin ich nicht zu Hause, pass du heute mal auf. Das geht nicht so einfach. Das ist immer ein großer Vertrauensaufbau, was vorher passieren muss. Man kann das natürlich kleinschrittig aufbauen. Aber auf jeden Fall sollte man gut geschult sein im Ausdrucksverhalten bei so einem Hund. Was aber für Nicht -Geschulte wieder sehr schwierig ist, durch das viele Fell. Und manchmal auch eher so diese schlaffe Haut. Bei vielen, ist nicht jeder Herdenschutzhund so, aber viele sind eben so. Das heißt, dass man auch die Mimik schwerer lesen kann dadurch. Genau, also als eigener Besitzer lernt man das natürlich schneller, aber als Fremder ist es immer wirklich oft ein bisschen schwieriger zum Lesen.
ERICH:
Ja, und das ist ja nicht nur für uns Menschen dann schwieriger zu lesen, sondern auch für andere Hunde. Und ich muss da sicher auch wieder mehr Acht geben in Hundebegegnungen zum Beispiel und da auch mehr ein Auge drauf haben.
BRIGITTE:
Ganz genau, ganz genau. Und ich glaube, in der Stadt ist generell eben die Größe vielleicht wirklich ein Thema. Also man darf das nicht unterschätzen, wenn so ein 60, 70 Kilo Hund, der ist ja auch dann, sagen wir mal... 74, 75 Zentimeter Schulterhöhe. Und sowas ist natürlich schwierig in einer Wohnung. Wenn in der Stadt würde ich keinen reinen Herdenschutzhund empfehlen. Also alleine schon eben wegen dem Territorialen und weil sie halt sehr stark auf Reize reagieren. Also es wird halt alles schnell mal verbellt, besonders die aus südlicheren Regionen. Und es ist halt wirklich sehr laut. Also wenn so einer in einer Wohnung bellt, ist es nicht lustig. Was aber nicht heißt, dass es in einer großzügigen Wohnung, wo vielleicht ein bisschen Garten dabei ist, nicht funktionieren kann. Also ich würde immer dazu raten, vielleicht eher ein Mix aus dem Tierheim, wo vielleicht gewisse Dinge ein bisschen abgeschwächter sind, sind meistens ja auch vom Körperbau deutlich kleiner.
ERICH:
Ja, und haben wir ja sicher auch ganz, ganz oft hier in der Stadt, weil viele kommen ja aus Rumänien, aus dem Tierschutz und da ist ja fast überall ein Herdenschutzhund mit drin.
BRIGITTE:
Genau, es mischt sich. Also wenn du einen Gentest machst, irgendeiner ist bestimmt drinnen. Das ist einfach so, es mischt sich einfach alles durch. Genau. Und was man schon sagen muss, noch ganz kurz dazu, ein reiner Herdenschutzhund hat einfach einen immensen Drang, draußen zu sein, an der frischen Luft zu sein. Also der wird in jeder Wohnung unglücklich sein. Und jeder unglückliche Hund, also jeder unglückliche Herdenschutzhund neigt natürlich dann dazu, noch mehr Ressourcenverteidigung zu zeigen.
ERICH:
Okay, du sagst, man muss sich gut überlegen, wenn man so einen Hund in der Stadt halten will, aufgrund von Territorialverhalten, dann sind sie sehr laut, sehr groß und es sind vor allen Dingen auch Hunde, die gerne draußen in der Natur Zeit verbringen. Was machen wir aber, wenn der Hund jetzt schon mal da ist? Gibt es Möglichkeiten, wie ich ihn gut auslasten kann, die Dinge geben kann, die er braucht? Beziehungsweise was machst du mit deinen Hunden?
BRIGITTE:
Auf jeden Fall, wenn möglich, ab und zu ins Grüne fahren um längere Wanderungen machen. Das muss jetzt gar nicht wo steil hinauf sein, sondern einfach in der Natur wirklich länger einfach unterwegs sein, in reizärmeren Gegenden. Mit meinen Hunden, außer dass wir gerne wandern gehen oder auch auf den Berg gehen. mache ich Mantrailing, habe das jetzt auch mit meiner Herdenschutzhundin angefangen. Und viele sagen, nein, Herdenschutzhund, Mantrailing, das ist nichts, das geht nicht, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber wenn man es richtig aufbaut, wenn man, sage ich mal, den richtigen Mantrail-Trainer gefunden hat, der das wirklich bedürfnisorientiert macht, der die richtigen Umgebungen auswählt, sich Gedanken darüber macht, wen verwende ich als Zielperson, der sich auch auf das Wesen einlassen kann, dann ist es auf jeden Fall eine gute Sache, denn sie werden dann dadurch irgendwie, wie soll ich sagen, aufgeschlossener gegenüber Fremden. Und einfach das Auslasten der Nase ist ja für jeden Hund, egal jetzt welche Rasse, immer total was Tolles.
ERICH:
Ja, wenn er es gerne macht.
BRIGITTE:
Genau, wenn er es natürlich gerne macht. Und da kann man eben schon ganz viel beitragen, indem man sich den geeigneten Mantrail -Trainer sucht oder die geeignete Mantrail -Gruppe sucht. Es dem Hund auch wirklich schmackhaft machen kann. Dass man es sich nicht schon vorher vertut, weil man eben zu viel Druck aufbaut, nur diesen Leistungsdruck eben hat, nur nach schneller, weiter und dann wieder und jetzt müssen wir aber weiter tun, du darfst jetzt nicht mehr schnüffeln beim Rückweg. Alleine das Auto einsteigen macht ja oft ganz viel. Man hat natürlich dazwischen immer mal eine Wartepause und dass man da den Hund auch wirklich Zeit gibt. Also nicht mit Druck da immer rein und wieder raus und jetzt komm und so weiter. Also mit so etwas kann man sich wirklich vertun.
ERICH:
Du sagst, um das zu machen, braucht es auf jeden Fall jemanden, der sich und dem Hund Zeit gibt. Lass mich zusammenfassen. Wir bekommen den Welpen. Dann ist ganz wichtig, dass wir den erstmal sozialisieren mit Mitmenschen und anderen Hunden, um der Skepsis so etwas vorzubeugen. Dann sollten sich die Leute sehr gut mit Kommunikation auseinandersetzen und als allererstes sowieso mal überlegen, ob man es sich zeitlich und emotional leisten mag und kann, überhaupt einen Hund zu nehmen. Bei diesen Hunden vielleicht noch mehr, weil sie wahrscheinlich mehr Zeit, Geduld und Struktur brauchen. Wenn ich was machen will mit den Hunden, dann sagst du, Mantrailing wäre was für die, wenn er es mit Geduld und Zeit und der richtigen Gruppe betreibt. Habe ich noch etwas vergessen, das du ergänzen möchtest?
BRIGITTE:
Auf jeden Fall - Also Netzwerk ist jetzt nicht das richtige Wort - aber auf jeden Fall Familienmitglieder, die auch dahinter stehen. Und jemanden zu haben, der in der Not einspringen kann, wo der Hund auch dann wirklich eine gute Beziehung hat zu demjenigen.
ERICH:
Den wichtigen Punkt hast du ja vorher auch schon erwähnt, dass es schwierig ist für diese Hunde, sich an neue Menschen zu gewöhnen oder zu binden. Und das sicher auch etwas ist, das man sich schon früh, am besten bei der Anschaffung überlegen sollte, weil mit schnell oder kurzfristig auf Urlaub fahren ist dann wahrscheinlich nichts mehr. Und man kann ja auch mal spontan krank werden, einfach so. Fällt dir sonst noch etwas ein, das du ergänzen möchtest?
BRIGITTE:
Vielleicht eine Hunderasse, die ich für die Stadt wirklich empfehlen würde, ist durchaus der Entlebucher Sennenhund. Der ist klein und wendig. Für meine Verhältnisse klein. So klein ist er ja gar nicht, aber im Vergleich zu den großen. Genau, also ich kenne durchwegs einige, die auch in Wohnungen leben mit ihren lieben Menschen und das funktioniert wirklich sehr gut. Sie sind zwar schon auch bellfreudig, besonders wenn sie jung sind, aber sie sind bewegungsfreudig. Man kann mit denen wirklich alles Mögliche machen. Also von nicht zu anspruchsvolles Agility, würde ich jetzt vielleicht doch nicht so machen, aber so Treibball und alle möglichen Hundebeschäftigungsarten, was es in Hundeschulen gibt. Es ist fast alles möglich mit so einem Entlebucher Sennenhund. Und genau, die wollen immer überall mit dabei sein, sind fröhliche Gesellen.
ERICH:
Das ist ja super. Dann hast du uns ja schon quasi einen Tipp gegeben. Und ganz zufällig wollte ich dich gerade genau danach fragen. Und zwar, was für einen Tipp möchtest du uns gerne noch hier lassen? Es kann alles sein. Es muss nicht hundebezogen sein. Irgendein Buch, Film oder auch Musik?
BRIGITTE:
Ja, also ein Lied habe ich, wo ich mir gedacht habe, das passt und zwar von Take That Giants. Das passt irgendwie gut mit Giganten und auch wir Tierschutzqualifizierte Hundetrainer sind ja auch Giants, sagen wir mal so. Genau, und als Buchtipp. kann ich nur jedes Buch von der lieben Mirjam Cordt empfehlen, die wirklich super toll positiv arbeitet und sehr empathisch ist und wirklich schon jetzt jahrzehntelange Erfahrungen hat.
ERICH:
Danke für die Tipps, liebe Brigitte. Wenn du noch etwas sagen möchtest, überlasse ich dir sehr gerne das Abschlusswort, sonst wären wir schon durch.
BRIGITTE:
Ja, also das, was ich mir zum Abschluss wünschen würde, und das geht eigentlich an alle Hundehalter da draußen, bitte seid mehr empathisch. Also Empathie ist so wichtig im Umgang mit Hunden. Ich weiß, der eine Mensch kann es ein bisschen mehr als der andere. Das ist leider so. Und ja, Hunde sind eben genauso fühlende Wesen wie wir alle. Genau, das wäre mir einfach total wichtig. Und die gegenseitige Rücksichtnahme. Die Rücksichtnahme gegenüber den Mitmenschen, sei es jetzt mit Hund oder ohne Hund, ist mir total wichtig. Und ich denke, wir Hundehalter sollten eigentlich alle zusammenhalten. Und wenn man jetzt mit einem. verhaltensbesonderen Hund unterwegs ist, da muss man dann nicht als anderer Hundehalter dann noch draufhauen. Man weiß nie, warum ist der Hund jetzt so, was hat der für eine Vorgeschichte. Vielleicht sind diejenigen ja schon am Trainieren und am Arbeiten an diesem Thema, nur es funktioniert halt einfach noch nicht so. Es geht ja nichts von heute auf morgen. Ich finde es auch immer so schön, und ich bin wirklich viel mit Hunden unterwegs, weil ich ja auch Gassiservice mache. Und ich erlebe es immer wieder, wenn ich jetzt sehe, es kommt mir ein Läufer entgegen, ein Jogger, ein Radfahrer. Und ich sehe das schon rechtzeitig und ich gehe auf die Seite. Und wenn der Hund das noch nicht im Stehen bewältigt, so knapp nebeneinander, dann gehe ich halt ein bisschen weiter auf die Seite und lasse ihn vielleicht dort absitzen. Und so oft erntet man dann ein Dankeschön. Und das ist wirklich so nett. Und auch wenn es nur ein Lächeln ist, was man kriegt, das macht einfach so viel.
ERICH:
Danke für diese inspirierenden und wahren Worte. In diesem Sinne auch von mir geht respektvoll miteinander um, egal ob Mensch oder Hund. Bis zum nächsten Mal. Ciao.
BRIGITTE:
Dann würde ich sagen, ich drücke da mal auf Stop bei meinem Rekorder, oder?
ERICH:
Danke fürs Zuhören. Besucht auch Brigittes Homepage oder besucht sie beim Mantrailing. Die ganzen Links findest du auf meiner Homepage in den Shownotes zum Podcast. Solltest du Fragen haben zum Podcast, zu uns, zu Hundetraining oder Hunden allgemein, schreib uns gerne an: pfotenaufasphalt @grossstadthund.com.